Ein Stück Rheinberger Stadtgeschichte RP vom 06.04.2023
Ein Harmonium für die Kapelle
So klingt Stadtgeschichte: Die Stadt Rheinberg hat das Mannborg-Harmonium einst dem Hospital St. Nikolaus geschenkt. Nach dem Abriss ist es heimatlos geworden. Kirchenmusiker Michael Wulf-Schneiders hat das 110 Jahre alte Instrument wieder spielbar gemacht. Nun hat’s eine neue Heimat gefunden.
Vor vielen Jahren hat Michael Wulf-Schnieders, Kirchenmusiker an der Evangelischen Kirchengemeinde in Rheinberg von der katholischen Kirchengemeinde St. Peter das Mannborg-Harmonium mit der Seriennummer 22461 als Dauerleihgabe für seine kleine Harmonium-Sammlung bekommen. Nach dem Abriss des alten Hospitals St. Nikolaus war das Instrument herren- und heimatlos geworden und stand im Keller des Neubaues der Psychiatrischen Klinik. Seitdem dachte Schnieders daran, das Instrument wieder spielbar zu machen.
Doch zunächst verschwand das Harmonium in seinem Keller. Erst als er im vorigen Jahr bei einem Konzert mit dem Verein zur Erhaltung der St. Anna-Kapelle auf dem Friedhof am Annaberg Heinz-Willi Coopmann traf, war es plötzlich klar: „Das Instrument gehört in die Kapelle.“
Jetzt war‘s soweit. Vier starke Männer des Vereins standen bei Schieders im Keller, haben das inzwischen wieder spielbare Instrument gepackt und auf den Annaberg geschafft. Nun wartet es in der Kapelle auf die offizielle Übergabe an den Förderverein.
Erbaut wurde das Instrument von der Firma Mannborg um 1910. Karl Theodor Mannborg, geboren am 19. November 1861 in Karlstad, gestorben am 26. Juli 1930 in Leipzig, war ein Orgelbauer und Unternehmer schwedischer Herkunft, der als Begründer der deutschen Saugwindharmonium-Industrie gilt.
Eine Plakette am Instrument weist darauf hin, dass es von der Stadt Rheinberg 1911 zum 50-jährigen Jubiläum des St.-Nikolaus-Hospitals gestiftet wurde. Das Krankenhaus war ab 1861 an der Orsoyer Straße 8 untergebracht und nach Dechant Nikolaus Palm benannt. Später befand sich das Harmonium in der Kapelle des neu gebauten Hospitals.
Das Harmonium hat 13 Registerzüge auf einer geteilten Lade. Interessant daran ist: der „Vibrator“ – bei heutigen Orgeln spräche man von einem „Tremulant“. Er wurde vor einiger Zeit (die letzte Revision ist belegt am 17.12. 1960) stillgelegt. Im Prinzip ist dies Register jederzeit wieder spielbar zu machen.
Ungewöhnlich ist das schwarze Gehäuse, vermutlich aus Schellack. Die Politur ist durch falsche Reinigung im Laufe der letzten 110 Jahre so gut wie abgerieben. Über dem Manual befinden sich ein Notenpult mit zwei Kerzenhaltern aus Messing.
Das Instrument kommt ohne elektrischen Strom aus – mit Kerzenlicht und einer pedalbetriebenen Saugluftanlage. Aus heutiger Sicht hat man vor über 110 Jahren schon wirklich nachhaltig gebaut. Die Lederbezüge der Balgen für den Spielwind sind wohl mal ausgetauscht worden. Aber das Instrument müsste mit neuen Ledern ausgestattet werden. „Als Organist würde man sich etwas mehr Spielwind wünschen“, so der Fachmann. Die Stimmung der klingenden Zungen sei aber immer noch „befriedigend“.