Der Stiftungsvertrag

St. Anna – Stiftungsamt.

Wie von einem unbekannt bleiben wollenden Wohltäter gefordert, der seine fromme Absicht, zur großen Ehre Gottes, des gekreuzigten Erlösers und seiner Mutter Anna eine Kapelle auf dem Annaberg bei Rheinberg und sieben Stationen auf dem Weg dahin erbauen zu lassen, zur Ausführung bringen und gegebenenfalls von den Obrigkeiten bestätigt haben möchte und er zu diesem Zweck effektiv schon eine beträchtliche Summe bereitgestellt hat und in großzügigerweise aufstocken wird, falls dies für den Bau und den Unterhalt sowie für ein dafür zuständiges Amt notwendig wird, habe ich diese Aufgabe übernommen und erkläre, was der Stifter diesbezüglich verfügt hat:

 

  1. Sobald die Kapelle und die Stationen, deren ungefähre Pläne schon bereitliegen, fertig sind, wird der Pfarrer dort jährlich zu Ehren der Mutter Anna an ihrem Festtag und am Freitag der Woche Kreuzauffindung ein Hochamt lesen mit einer (Lobes) – Jubelpredigt, er erhält 45 Sols pro Messe und 40 Sols pro Predigt, wobei er Wein und Kerzen für den Altar auf seine Kosten bereitstellen muß. Im Übrigen wird an den Tagen der Kreuzerhöhung und Kreuzauffindung und an den sechs Freitagen der Fastenzeit zwischen 8 und 10 Uhr eine stille Messe gelesen; jede Messe wird mit 10 Sols bezahlt, Wein und Kerzen eingeschlossen. Die Vikare der Pfarrei Rheinberg, die am St. Anna –Tag am Altar assistieren, erhalten 15 Sols, der Schullehrer und der Küster jeweils 10 Sols für ihre Anwesenheit.

 

  1. Der Stifter verspricht dem deutschen Schullehrer eine Jahresrente von 12 Ecus, wenn er sich einmal wöchentlich während der Ferien und jährlich am Nachmittag des St. Anna Festes zur Kapelle begibt, und dabei den Rosenkranz betet und an jeder Station drei Pater Noster, (durchgestrichen) dazu in der Kapelle die Litanei vom schmerzhaften Jesus und drei Pater Noster zu Ehren der Mutter Anna, auch die Kinder daheim zum Pilgern führt, soweit es die Jahreszeit und die Umstände erlauben, dieser Schullehrer gilt in der Kapelle als Küster und wird dort für Sauberkeit bemüht bleiben und bei Beschädigungen dem Verwalter der Kapelle und der Stationen darüber berichten.

 

  1. Um die Jugend zu ermuntern erhalten die Kinder, die pilgern, einen ECU 30 Sols pro Jahr für eine Freistunde in der Schule an einem festzulegenden Tag.

 

Vermutlicher ehemaliger Standort Kreuzweg Stele, Römerstr. –Einmündung Nikolaus-Palm-Str.

 

  1. Der Stifter verspricht, sowohl zur Sicherheit der obengenannten jährlichen Ausgaben als auch für notwendige Reparaturen, jährliche Mittel von wenigstens 5 Ecus bereitzustellen und dafür festgeschriebene Rentengelder Justizbereich anzulegen. Da diese 5 Ecus nicht jedes Jahr voll notwendig sein werden, will der Stifter das eventuell resultierender Überschuß zusammen mit Spendengeldern jedes Mal rentenmäßig festgelegt wird, wenn es eine Ersparnis von 25 Ecus gibt. Die bei Bedarf bei großen Reparaturen eingesetzt und deren Erträge am St. Anna Tag an die Armen verteilt werden.

 

  1. Der Stifter behält sich vor, daß die oben angeführten Frommen Werke in seiner Absicht durchgeführt werden, die Ernennung des Priesters zum Lesen der Messen, die Verwaltung und der Ertrag de Geldmittel ihm, dem Stifter zu seinen Lebzeiten unterstehen und nach seinem Tod an mich, den Unterzeichner, übergehen ohne Verpflichtung, wem auch immer darüber Rechenschaft zu geben.

 

  1. Im Falle meines Todes oder meiner Aufgabe dieser Verwaltung wird die Kirchenbauleitung, bestehend aus dem Pfarrer, dem Amtmann, dem Bürgermeister und Magistrat der Stadt, gebeten, die gute Absicht des Stifters zu fördern im Hinblick auf den Unterhalt der Gebäude und die Fortführung der Frommen Werke und sich für die Verwaltung der Güter mit einer separat erstellten Liste Rechenschaft geben lassen von den betreffenden Einnehmern der Kirche, die für den gegenwärtigen Ertrag beauftragt sind, das genannte Konto zu prüfen und abzuschließen und anstelle des mit dem derzeitigen Amt bestallten Priesters einen Vikar aus Rheinberg zu ernennen, dessen Benefice weniger einträglich ist.

 

  1. Damit die zwei Einnehmer (Änderungen in der Übersetzung) einen Lohn für ihre Mühen bekommen, können sie jährlich vom Ertrag 2 Ecu einbehalten und unter sich aufteilen. Es wird ihnen empfohlen, die Reparaturen der Gebäude zu überwachen, die Einkünfte konstant zu halten und die Spenden zum Quartals Ende eines jeden (Trimesters, durchgestrichen) oder auch früher einzusammeln; und lt. Dieser Anweisung den Küster anzuhalten, die Schlüssel der Kapelle nach dem Gottesdienst den genannten Einnehmern zu übergeben.

Rheinberg, den 9. Februar 1779
gez. G. Gatzweiler

Bescheinigung, daß diese Übersetzung mit der Kopie übereinstimmt, die mir durch den Pfarrer von Rheinberg am 6. Germinal, 13. Jahr der Fränkischen Republik ausgehändigt worden ist.

Der Vereidigte Übersetzer
gez. Jean-Louis Scheffer

Der Ecu war eine französische Währung der Revolutionszeit, sie wurde 1794 aufgehoben und durch den Franc ersetzt.
Im Text sind keine Rechtschreibänderungen durchgeführt worden.

Germinal: eine alte Bezeichnung für den Revolutionskalender, der Frühlingsmonat vom 21. März bis 19. April. Der 6. Germinal wäre also der 27. März.

 

Aufruf!

Wer hat zufällig ein Foto des ehemaligen Kreuzweges an der Römerstraße und würde es dem Verein zum Erhalt und Nutzung der St.-Anna-Kapelle e.V. zur Verfügung stellen.