Irrtümer in der Rheinberger Geschichte RP+ vom 21.03.2025

von Ralf Vogel · Veröffentlicht 1. April 2025 · Aktualisiert 1. April 2025

Werner Kehrmann hat in seinem Buch bis zu 240 Jahre alte Berichte zur Rheinberger Stadtgeschichte neu recherchiert und aufgelegt. Foto: Armin Fischer (arfi)

Der Rheinberger Stadthistoriker Werner Kehrmann befasst sich in seinem neuen Buch mit historischen Ereignissen, die in der Vergangenheit mal so und mal beschrieben wurden. Es geht ihm um die Wahrheit über Pulverturm, Vallan & Co.

Geschichtliche Ereignisse gelten so lange als wahr, bis sie widerlegt sind – das weiß auch Werner Kehrmann. Er befasst sich schon seit vielen Jahren intensiv mit der Rheinberger Stadtgeschichte, hat eigene Bücher veröffentlicht und an Büchern anderer mitgewirkt. Er ist Vorstandsmitglied im Rheinberger Heimatverein und im Verein zur Erhaltung und Nutzung der St.-Anna-Kapelle, ist Stadtführer und bleibt nie eine Antwort schuldig, wenn man ihn nach geschichtlichen Daten fragt. Kann er nicht sofort weiterhelfen, kommt spätestens am nächsten Tag eine Mail mit dem Hinweis: „Ich habe das noch mal nachgeschlagen.“

Werner Kehrmann ist 77 Jahre alt und seine Leidenschaft für das, was früher in dieser Stadt passiert ist, begann vor etwa 40 Jahren. „Da haben uns Verwandte aus den Niederlanden besucht, Nachfahren meiner Großeltern mütterlicherseits“, erzählt Kehrmann. „Und als sie sagten ,na, dann erzählt uns mal was über eure Stadt’, kam ich ins Stottern, weil ich nicht viel wusste. Ich habe nur gedacht: Das passiert dir nicht noch einmal.“ Seither sind Bibliotheken und Archive das zweite Zuhause des gebürtigen Rheinbergers.

Info Wer dem Verfasser geholfen hat

Unterstützung Werner Kehrmann dankt der Rheinberger Stadtarchivarin Sabine Sweetsir für die Bereitstellung von Aktenzeichen und Quellenbelegen; Joachim Hunke für die Überprüfung der geschichtlichen Angaben; Fritz Scheller für das Lektorat, Ludger Luja Jackowiak für die Umschlaggestaltung.

Werke Werner Kehrmann hat zuvor schon die Bücher „Geschichten hinter den Fassaden – historische Häusernamen in Rheinbergs Innenstadt“ und „Annaberg zwischen Mittelalter und Moderne“ verfasst und herausgegeben.

Jetzt hat Werner Kehrmann wieder ein Buch herausgegeben. Es heißt „Besondere Rheinberger geschichtliche Ereignisse und deren Wahrheitsgehalt“. „Um viele geschichtliche Ereignisse im alten Rheinberg haben sich Sagen, Vermutungen und falsche Informationen zu bestimmten geschichtlichen Abläufen gebildet“, so Kehrmann. „Ich habe neu recherchiert und bin dabei auf viele Dinge gestoßen, die korrigiert werden müssen.“ Knapp zwei Jahre hat der Autor gelesen, gesammelt, abgeglichen, hat sich mit Experten ausgetauscht und hat geschrieben, bis sein 109 Seiten starkes Buch fertig war.

Und was sind nun die größten Irrtümer in Berkas langer Geschichte? Das soll natürlich jeder selbst im Buch nachlesen. Aber ein paar Beispiele gibt der Annaberger preis. So etwa die Mär‘ vom unterirdischen Gang, der aus dem Spanischen Vallan herausführen sollte. „Diesen Gang gibt es nicht und den hat es auch nie gegeben“, sagt Werner Kehrmann. „Als dieser Gang angeblich angelegt worden sein soll, war der Vallan im Stadtpark noch gar nicht errichtet.“

Auch um den Pulverturm ranken sich Geschichten, die nach den Erkenntnissen des Stadthistorikers nicht zu halten sind. „Angeblich sind die Mauern des Pulverturms acht Meter hoch, tatsächlich sind sie aber nur 5,18 Meter hoch. Das hat eine Nachmessung im Jahre 2024 per Laserscan ergeben.“

Und dann die Explosion. 1598, als der Spanier Mendoza die Stadt belagerte und beschoss, soll eine Feuerkugel den Zollturm getroffen haben und es kam zur Zerstörung der oberen Turmhälfte einschließlich der Landesburg sowie vieler Stadthäuser. Kehrmann: „Die Zerstörungsbeschreibung hat immer niederländische, somit calvinistische Wurzeln, als Zerstörer gelten die katholischen Spanier. Die niederländischen Quellen und der Rheinberger Amtmann Erlenwein sprechen unter anderem aber auch von Verrat.“ Die Kriegsberichterstatter verfassten ihre Schlachtbeschreibung für ihre Herren. Diese Beschreibungen seien wiederum circa 200 Jahre später abgeschrieben und als Geschichte der jungen Niederlande veröffentlicht worden.

Eine zweite Explosion des Pulverturms soll sich 1636 zugetragen habe. In der Rheinischen Provinzialgeschichte des damaligen Rheinberger Gerichtsassessors Richard Pick steht aber zu lesen, dass im Juni 1636 der Blitz in das Pulvermagazin im Schloss eingeschlagen sei. Die Explosion habe fast die Hälfte der Stadt in einen Trümmerhaufen verwandelt. Werner Kehrmann. „Bei dieser Explosion wird also nicht der Pulverturm, sondern ein Schlossgebäude angegeben.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zollturm von 1598 bis 1636 noch nicht wieder fertig war, sei sehr hoch. Denn es habe zu der Zeit schwere Kämpfe in Rheinberg gegeben, da sei keine Zeit für einen Wiederaufbau gewesen.

Kehrmann widerlegt auch die These, dass die Kugel, die zur Explosion des Pulverturms führte, aus einer Kanone stammte. Aus Kanonen seien die Kugeln in einem Winkel von 20 Grad abgefeuert worden. So hätten sie den Turm niemals oben erreichen können. Kehrmann: „Auch wenn immer von einer Kanone die Rede ist: Es könnte sich um einen Zufallstreffer eines Mörsers gehandelt haben.“ Für wahrscheinlicher hält er, dass ein Verrat stattgefunden hat und spanische Soldaten das Pulver entzündet haben.

Auch Berichte über die Ereignisse im 18., 19. und 20. Jahrhundert, als Napoleon in der Stadt war, als der Rheinberger Kanal gebaut wurde und das Stadtwappen entwickelt wurde, enthielten oftmals nicht richtige oder unklare Spuren. Diese Irrtümer aufzudecken und richtig zu stellen, sei sein Anliegen gewesen, sagt der Autor.

Sein Buch „Besondere Rheinberger geschichtliche Ereignisse und deren Wahrheitsgehalt“ erscheint im Eigenverlag. Das Buch kostet zehn Euro und ist in der Bäckerei Bergmann an der Xantener Straße, im Stadtarchiv in der Alten Kellnerei am Innenwall und bei Creaktivo, Zu den Stationen, zu haben.

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