Ein neues altes Instrument für die St. Anna – Kapelle auf dem Annaberg.
Vor vielen Jahren habe ich von der Katholischen St. Peter – Gemeinde das Mannborg Harmonium mit der Seriennummer 22461 als Dauerleihgabe für meine kleine Harmonium – Sammlung bekommen. Nach dem Abriss des alten St. Nikolaus Hospital war das Instrument Herren- und Heimatlos geworden und stand im Keller des Neubaues der Psychiatrischen Klinik St. Nikolaus. Seit dem hatte ich den Gedanken, das Instrument wieder spielbar herzurichten.
So verschwand das Harmonium bei mir im Keller. Erst als ich im Jahre 2022 bei einem Konzert mit dem Verein zur Erhaltung der St. Anna – Kapelle auf dem Friedhof am Annaberg Kontakt hatte (namentlich mit Herrn Heinz-Willi Coopmann), war es plötzlich klar: das Instrument gehört in diese Kapelle!
Am 25. März 2023 war es dann soweit, vier starke Männer des Vereins standen bei mir im Keller, haben das inzwischen wieder spielbar hergerichtete Instrument gepackt und auf den Annaberg geschafft. Nun wartet es in der Kapelle auf die „offizielle“ Übergabe an den Förderverein.
Hier ein paar Informationen zum Instrument:
Erbaut wurde das Instrument von der Firma Mannborg, etwa 1910. Karl Theodor Mannborg (* 19. November 1861 in Karlstad; † 26. Juli 1930 in Leipzig) war ein Orgelbauer und Unternehmer schwedischer Herkunft, der als Begründer der deutschen Saugwindharmonium-Industrie gilt.
Eine Plakette an dem Instrument weist darauf hin, dass es von der Stadt Rheinberg im Jahre 1911 zum 50 – jährigen Jubiläum des St. Nikolaus Hospitals gestiftet wurde. Das Krankenhaus war ab 1861 an der Orsoyer Straße 8 untergebracht und nach Dechant Nikolaus Palm benannt. Später befand sich das Harmonium in der Kapelle des neu gebauten St. Nikolaus Hospital (Grundstein 1907, Einweihung 1909) weiter südlich, am Rande des frühneuzeitlichen 3. Befestigungsringes.
Das Harmonium besitzt insgesamt 13 Registerzüge auf einer geteilten Lade; davon zwei 8´ – Register im Diskant sowie je ein 8´, 4´ und 2´ – Register im Bass, jeweils mit Vorabzügen, eine Oktavkoppel im Diskant und eine Basskoppel im Bass sowie zwei Forte – Register und ein „Vibrator“ – Register.
Interessant daran ist: der „Vibrator“ (bei heutigen Orgeln spräche man von einem „Tremulant“) wurde vor einiger Zeit (die letzte Revision ist belegt am 17.12.1960) stillgelegt. Der Grund dafür ist nicht nachzuvollziehen. Im Prinzip ist dies Register jederzeit wieder spielbar zu machen.
Zwei Klappen für die Bedienung mit den Knien unterhalb des Spieltisches stellen das „Schwellwerk“ des Harmonium da: Die linke Klappe steuert die Auf- und Abregistrierung des Instrumentes, die rechte Klappe die Einstellungen der Forte – Register. Somit lässt sich ein stufenloses Crescendo – Decrescendo spielen, ohne die Registerzüge zu benutzen.
Ungewöhnlich ist die schwarze Ausführung des Gehäuses, die vermutlich aus schwarzem Schellack bestand. Die Politur ist leider durch falsche Reinigung im Laufe der letzten 110 Jahre so gut wie abgerieben. Über dem Manual befinden sich ein Notenpult mit zwei Kerzenhaltern, diese sind aus Messing.
Das Instrument kommt ganz ohne elektrischen Strom aus; mit Kerzenlicht und einer pedalbetriebenen Saugluftanlage. Aus heutiger Sicht hat man also vor über 110 Jahren schon wirklich nachhaltig gebaut!
Die Lederbezüge der Balgen für den Spielwind sind wohl einmal ausgetauscht worden, grundsätzlich müsste das Instrument in Zukunft komplett mit neuen Ledern ausgestattet werden. Als Organist würde man sich etwas mehr Spielwind wünschen. Die Stimmung der klingenden Zungen ist immer noch befriedigend.
Ich freue mich, dass ich das Instrument dem Förderverein der St. Anna – Kapelle nach über 20 – jährigem Dornröschenschlaf in meinem Keller zur Verfügung stellen kann.
Disposition der Register von links nach rechts:
Aeolsharfe 2´ (mit Schwebung)
Vioal Dolce 4´(Vorabzug Principal 4´)
Principal 4´
Basskoppel
Geigenprinzipal 8´ (Register – Bezeichung später ersetzt)
Echo 8´ (Vorabzug Geigenprinzipal 8´)
Vibrator
Piano 8´ (Vorabzug Principal 8´)
Principal 8´(Register – Bezeichnung kürzlich ersetzt)
Diskantkoppel (Oktavkoppel)
Vox Jubilans 8´
Forte 1 (öffnet hintere Lade)
Forte 2 (öffnet vordere Lade)
Im Protokollbuch der Stadt Rheinberg aus 1911 steht folgendes:
Ratsprotokoll vom 30. 10. 1911, Seite 37, steht unter der Ziffer 1, erster Satzteil: Die im Rathaus freigewordenen Öfen sollen öffentlich verkauft werden.
Ziffer 1, zweiter Satzteil:
In geheimer Sitzung wurde beschlossen, dem hiesigen St. Nicolaus-Hospitals zu seinem am 23.12.1912 stattfindendem 50 jährigem Jubelfeste ein Harmonium
Im Werte von 4 – 500 Mk zu stiften. Die Durchführung wird dem Bürgermeister in Verbindung mit Herrn Franz Tibus überwiesen.
Ziffer 2 des Ratsprotokolls: Geschäftsbericht