Eine Lesung, bei der sich alles um Erinnerungen drehte RP vom 04.11.2025

Neun der zehn Mitglieder der Frauenschreibwerkstatt (v.l.): Helga Pleines, Ulrike Kretschmer, Claudia Corell, Christa Canitz, Bärbel Ring, Patricia Thissen, Karola Schäfer, Henriette Heiderich und Elke Schopmans. Foto: Armin Fischer (arfi)
Die Autorinnen der Rheinberger Frauenschreibwerkstatt „Leichte Feder“ haben in der St.-Anna-Kapelle selbst verfasste Texte über Erinnerungen vorgetragen.
Kurze, teils sehr persönliche Texte und Gedichte von neun Frauen aus der Schreibwerkstatt „Leichte Feder“, dazu mit Heinz-Willi Coopmann und Ludger Möllengraf zwei Gitarristen, die zwischendurch Balladen spielten und sangen, und all das in der kleinen St.-Anna-Kapelle: Wer die Kapelle auf dem Friedhof ansteuerte und sich auf einer der wenigen Bänke niederließ, verbrachte eine sehr schöne und besinnliche Stunde, die auf dem Nachhauseweg noch eine Zeitlang nachhallte. Roland Stenmanns, seit einem Jahr erster Vorsitzender des Vereins zum Erhalt der St.-Anna-Kapelle, begrüßte die Zuhörerinnen und Zuhörer zur letzten Veranstaltung in diesem Jahr und der zweiten mit der Frauenschreibwerkstatt.
Das Thema der besinnlichen Stunde: Erinnerungen. An Menschen, die einem wichtig sind und waren, an Ereignisse und Erlebtes. „Es soll jetzt hier nicht nur um Verstorbene gehen“, so die Sprecherin der „Leichten Feder“, Ulrike Kretschmer. Im Wechsel trugen die Autorinnen ihre Gedanken vor, die sie zum Thema zu Papier gebracht hatten. „Unvorbereitet“, lautete beispielsweise der Titel eines kurzen Textes, in dem es um Momente ging, die einen unvorbereitet treffen. Sie wie der Anruf ihres Schwagers vor 30 Jahren, zwei Tage vor Weihnachten, als sie in der Küche stand und mit dem zweijährigen Sohn Plätzchen ausstach. „Das Telefon klingelte, der Schwager war dran und berichtete von der vergangenen Nacht, in der sie ihre Tochter verloren hatten.“
Um die „Spieluhr des Lebens“ drehte sich ein anderes Gedicht. „Es kann niemand vorher wissen, ob es gut wird oder beschissen“, lautete eine Zeile daraus. Eine Frau aus der Schreibwerkstatt hatte einen Text über ihren damaligen Lehrer verfasst. Herr Kaiser, vor vielen Jahren ihr Lehrer in Latein, Geschichte und Politik, der immer in die Klasse kam und erst einmal die Aktentasche auf den Tisch knallte. Schlagfertg sei er gewesen, sarkastisch, humorvoll. Im Juli habe er Goldhochzeit gehabt, 80 Jahre sei er inzwischen alt. Sie habe nach der Kirche draußen auf ihn gewartet. Müde sei er gewesen, habe kaum sehen können, einen Gehstock benutzt. „Hallo, ich bin es, die Claudia“, habe sie sich vorgestellt. Und er habe sich erinnert.
Coopmann und Möllengraf stimmten das Lied „Stimme im Wind“ von Juliane Werding an, Coopmanns Gesang erfüllte die kleine Kapelle, eine Zuhörerin sang lautlos den Text mit. Von der ersten Frau, die Medizin studiert hat, erzählte eine Vorleserin in ihrem Text, eine andere von dem Karussell, auf dem sie als Kind so gerne für zehn Pfennig eine Runde gedreht hätte, der Vater aber hart geblieben sei.
Die Frauen der „Leichten Feder“ haben mit ihren schönen Texten, Coopmann und Möllengraf mit der akustischen Begleitung in der kleinen Kapelle auf dem Friedhof am Annaberg für eine Stunde gesorgt, an die man sich gerne erinnert.
Von Heidrun Jasper



